Trotz der seit 2009 bestehenden Versicherungspflicht kann eine Private Krankenversicherung (PKV) den Vertrag mit einem Kunden kündigen, wenn dieser eine schwerwiegende Vertragsverletzung begeht. Das geht aus zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor, die beispielgebend solche Fälle behandelten (BGH Aktenzeichen: IV ZR 50/11 sowie IV ZR 105/11).
Private Krankenversicherung kann Betrügern kündigen
Die Karlsruher Richter urteilten, dass die Versicherungspflicht kein Freibrief für Betrüger sei. Auch auf sonstige grobe Vertragsverletzungen kann die private Krankenversicherung mit einerKündigung reagieren, wenn dies auch Ausnahmen bleiben dürften. Damit hat der BGH erstmals auf Verwerfungen reagiert, mit denen die private Krankenversicherung seit dem Jahr 2009 zu kämpfen hat: Seit diesem Jahr kann die PKV ihren Mitgliedern nicht mehr ohne Weiteres kündigen, selbst wenn diese ihre Beiträge nicht bezahlen. Das ist die Kehrseite der gesetzlichen Versicherungspflicht. Die private Krankenversicherung muss für Nichtzahler sogar eine Notfallversorgung bereithalten. Bestenfalls kann sie solch schlechten Kunden den Wechsel in den eigenen Basistarif anbieten.
Der Gesetzgeber hatte genau dies intendiert, denn bis 2008 kündigte eine private Krankenversicherung relativ schnell bei einigen Zahlungsrückständen von Versicherten. Der BGHsieht jene Intention nach wie vor als berechtigt an, wie aus den Urteilsbegründungen hervorgeht. Dennoch sei – Versicherungspflicht hin oder her – eine Kündigung bei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung möglich. Um der Versicherungspflicht zu genügen, bleibe den Betroffenen ein Basistarif bei einer anderen PKV oder die Gesetzliche Krankenversicherung. Lediglich die Pflegeversicherung bleibt unkündbar, hier gibt es keinen Basistarif.
BGH: Die Fälle im Einzelnen
Beim ersten Fall handelte es sich bei der verurteilten Vertragsverletzung um schlichten Betrug. Ein Versicherungsnehmer der Continentale hatte Arzneimittelbelege über 3.800,- € von Medikamenten eingereicht, die er nie bezahlt hatte. Die Continentale kündigte die private Krankenversicherung, aber nicht die Pflegeversicherung, wogegen der Versicherte vor Gericht zog und schließlich vor dem BGH unterlag.
Im zweiten Fall bezog ein Versicherter der Halleschen PKV über längere ZeitKrankentagegeld, worauf ihm die Versicherungsgesellschaft einen Außendienstmitarbeiter nach Hause schickte. Der “kranke” Versicherungsnehmer attackierte diesen mit einem Bolzenschneider. Daraufhin kündigte die PKV sämtliche Verträge. Hier urteilte der Bundesgerichtshof, dass Krankenversicherung sowie Krankentagegeld-Versicherung zu kündigen seien, die Pflegepflichtversicherung hingegen nicht.