Ab September 2017 gibt es ein neues Verfahren für die Messung des Kraftstoffverbrauchs von neu zugelassenen Autos. Das wird die Kfz-Steuer für Kleinwagen erhöhen und vermutlich die Modellpolitik der Hersteller beeinflussen.
Was ändert sich?
Das neue Prüfverfahren WLTP soll zu einem Ergebnis führen, das eher dem wirklichen Kraftstoffverbrauch auf der Straße entspricht. Betroffen sind eher kleinere Wagen, die oft mehr Sprit schlucken, als die Hersteller versprechen. Damit verändert sich auch die Kfz-Steuer. WLTP bedeutet “Worldwide Harmonized-Light Duty Vehicles Test-Procedure”, übersetzt “weltweit einheitliches Testverfahren-für leichtgewichtige Nutzfahrzeuge”. Der Titel täuscht etwas, denn dieser neue Verbrauchs- und Emissionsstandard gilt nur in der EU und einigen weiteren Ländern verbindlich, konkret in Australien, Japan, Indien, Südkorea, Norwegen, Moldawien, Türkei, Russland und Südafrika. Es erfolgt eine Einteilung der Fahrzeuge in drei Klassen, in denen jeweils verschiedene Fahrzyklen getestet werden. Ein erstes Statement gab es schon von der deutschen Prüforganisation Dekra: Die dortigen Experten sehen beim Verbrauch als einen entscheidenden Faktor den Fahrer. Die Fachwelt begrüßt überwiegend das Verfahren. So äußerte der Geschäftsführer des hiesigen Verbands der Automobilindustrie Joachim Damasky, dass der neue Prüfzyklus näher am wirklichen Verbrauch läge. Er bilde sowohl aktuelle Verkehrssituationen als auch ihre Auswirkungen auf das Verbrauchsverhalten heutiger Fahrzeugmodelle besser ab. Damit sei WLTP dem bisher angewandten NEFZ (“Neuer Europäischer Fahrzyklus”) überlegen. So würden beispielsweise mit WLTP Fahrsituationen im Innenstadtverkehr ebenso wie auf der Autobahn untersucht, außerdem berücksichtige der neue Standard Sonderausstattungen des Fahrzeugs, das Gesamtgewicht sowie Räder- und Reifengrößen. Die Prüfungen erfolgen allerdings wie eh und je auf dem Prüfstand, also unter Laborbedingungen.
Welche Autos sind konkret betroffen?
Mit WLTP werden alle neuen Automodelle und Motorvarianten gemessen, die eine gesonderte Typengenehmigung benötigen. Ab September 2017 gilt für diese die Euro 6c Norm, bei der die Einhaltung der Grenzwerte nach dem WLTP-Standard ermittelt wird. Ein Jahr später – ab September 2018 – gilt die Regelung grundsätzlich für alle Neuzulassungen. Bisher zugelassene Fahrzeuge sind nicht betroffen. Das neue Prüfverfahren dürfte in den meisten Fällen einen höheren Verbrauch und damit auch einen höheren Ausstoß von Kohlendioxid (CO₂) ermitteln. Durchschnittlich rechnen Experten mit um 20 Prozent erhöhten Werten. Das schärft den Blick auf die Umweltbelastungen durch den Kraftverkehr, gleichzeitig freut sich der Finanzminister jetzt schon auf Mehreinnahmen durch die Kfz-Steuer von rund 1,1 Milliarden Euro in den Jahren 2018 bis 2022. Die CO₂-Emission ist ein wichtiger Faktor für die Bestimmung der Kfz-Steuer (neben der Antriebsart und dem Hubraum).
Steigt die Kfz-Steuer für alle Autos gleichmäßig?
Nein, eben nicht. Kleinwagen werden eigentlich auf Sparsamkeit getrimmt, doch sie sind besonders betroffen. Das liegt am neuen Prüfverfahren. Gegenüber der NEFZ-Prüfung wird bei WLTP durchschnittlich um 50 Prozent mehr beschleunigt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt dadurch wegen der geringeren Standzeiten auf dem eingesetzten Rollenprüfstand um über 40 Prozent höher als bisher. Das treibt den Durchschnittsverbrauch bei Kleinwagen nach oben, denn eigentlich werden diese nicht so schnell gefahren. Halter des VW Golf VII-TSI Blue Motion werden beispielsweise rund 20 € mehr Kfz-Steuer bezahlen und beschleunigt. Bei den großen, sehr leistungsstarken Autos hingegen könnten die CO₂-Werte gegenüber dem NEFZ-Test sogar sinken. Die Hersteller werden nun voraussichtlich ihre Motoren und Autos an das neue Testformat anpassen. Sie könnten die Übersetzungen ändern, die den Verbrauch beeinflussen, auch könnten die Motoren insgesamt stärker werden. Das würde möglicherweise einige Vorteile durch WLTP zunichtemachen.
Inwieweit sind Dieselfahrzeuge betroffen?
Die Diesel-Tests verschärfen sich. Bislang durften ab 120 km/h die Maßnahmen für die Verringerung des Stickoxid-Ausstoßes abgeschaltet werden. Nach WLTP müssen sie bis 131 km/h greifen, der Realbetrieb wird auf der Straße bis 145 km/h untersucht. Außerdem werden die sogenannten Thermofenster noch weiter als bisher geschlossen. So muss nun die Abgasreinigung zwischen 0 °C und 30 °C Außentemperatur voll funktionieren. Das bedeutet für viele Dieselfahrzeuge, die derzeit noch Grenzwerte ohne Ad-Blue-Reinigung einhalten, dass sie künftig mit einem Ad-Blue-Tank und außerdem SCR-Katalysatoren ausgestattet sein werden. Dieselfahrzeuge müssen in Zukunft mit dem RDE-Verfahren (Real Driving Emissions) geprüft werden, also dem Test auf der Straße – ein Lehre aus dem Dieselskandal, der gezeigt hat, wie gut Labortests zu manipulieren sind. Die Autobauer dürfen bei RDE-Tests die Grenzwerte vorläufig um 110 %, ab Januar 2020 noch um 50 % überschreiten. Die Hersteller sind bei allen Motorvarianten nun angehalten, den Verbrauch zu senken, doch besonders die Kleinwagen sind betroffen. Es könnte passieren, dass gerade in diesem Fahrzeugsegment für die Kurz- und Mittelstrecke nun viel mehr Elektroautos produziert werden.
Nach oben