Die deutsche Reederei Hapag-Lloyd wird sich in Zukunft gegen unterbezahlte Arbeit von teilweise minderjährigen Arbeitern, widrigen Bedingungen für die Umwelt und die Sicherheit der Arbeiter sowie Gesundheitsrisiken aufgrund schädlicher Materialien stellen. Hapag-Lloyd wird die Schiffe nun nicht mehr an den Höchstbietenden ohne Blick auf Umwelt- und Sozialaspekte verkaufen, sondern nachhaltig verschrotten lassen.
Die Reederei Hapag-Lloyd will ihre Frachtschiffe, die sie nicht mehr für den Geschäftsbetrieb einsetzten wird, künftig nicht mehr auf dem Gebrauchtmarkt für Frachter und Containerschiffe an den Höchstbietenden verkaufen, sondern an Abwrackwerften mit verbindlichen Umwelt- und Sozialvorgaben veräußern. Die Firmenpolitik der deutschen Reederei sei vom Vorstand durch entsprechende Änderungen gewandelt, so ein Firmensprecher von Hapag-Lloyd in Hamburg.
Das Unternehmen wolle so garantieren, dass die ausgedienten Fracht- und Containerschiffe, „Old Ladies“ genannt, nach Jahrzehnten des regelmäßigen Einsatzes nicht unter durchaus bedenklichen Bedingungen für die Umwelt und die Arbeiter der Abnehmer ihr Ende an den Küsten Pakistans, Indiens und Bangladeschs finden.
Abwracken häufig mit sozialen Scheuklappen und hohem Gesundheitsrisiko für Arbeiter
Mehrere tausend Schiffe landen jedes Jahr an den Stränden von Indien, Pakistan und Bangladesch, und erwarten dort ihre Fragmentierung in all ihre Einzelteile – Abwracken genannt. Viele dieser Jahrzehnte alten Schiffe enthalten jedoch tonnenweise giftige Materialien wir Asbest, Blei, Schwermetalle und Chemikalien wie PCB. Der Organisation „The Shipbreaking Platform“ zufolge sind viele der Arbeiter, die an der Verschrottung der Frachter mitarbeiten, nicht einmal 15 Jahre alt und aufgrund ihres jungen Alters und mangelnden Erfahrungsschatzes stünden tödliche Arbeitsunfälle regelrecht an der Tagesordnung. Hapag-Lloyd wolle diesen Zuständen künftig nicht mehr mit blindem Auge zusehen, so ein Sprecher der Reederei.
Patrizia Heidegger, Chefin der „Shipbreaking Platform“, lobte diesen Entschluss mit den Worten: „Wir begrüßen diesen Schritt von Hapag-Lloyd außerordentlich und hoffen, dass andere Reedereien ihn sich zum Vorbild nehmen“. Ihren Angaben zufolge entsorgt derzeit nur die dänische Maersk-Gruppe als eine der drei größten Reedereien ihre Schiffe nach den Umwelt- und Sozialstandards der EU.
Verschrottung oft lukrativer als Betrieb der alten Frachtschiffe
In der Vergangenheit veräußerte Hapag-Lloyd die ausgemusterten Frachter oft an andere Schifffahrtsunternehmen und konnte so einen passablen Restwert erzielen. Aufgrund der in den letzten Jahren kontinuierlich sinkenden Frachtraten und Erträge jedoch seien auch die Preise für die alten Schiffe gefallen. „Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass die Erwerber die Schiffe relativ schnell zur Verschrottung gegeben haben“, so ein Sprecher. Der Schrottwert der Meeresriesen sei mittlerweile oftmals lukrativer als ein Fortsetzen des Betriebes.
Allein in Pakistan, Indien und Bangladesch seien in den vergangenen Jahren 655 Schiffe abgewrackt worden, die neuen Eigentümer erhalten nach Aussage des Londoner Schiffsmaklers AE Gibson 455 – 470 Euro pro Tonne Schrott in diesen Ländern, in China hingegen sei aufgrund von Aufsichten und Vorlagen der Gewinn pro Tonne Schrott nur etwa 308 Euro – etwa 30 Prozent weniger.
Auf ein Schiff berechnet macht dies einen Unterschied von etwa einer Million Euro. Trotzdem hat Hapag-Lloyd sich nun aus Umwelt- und Sozialverbundenheit dazu entschlossen, ihre ausgemusterten Schiffe künftig in China abwracken zu lassen. Die umweltgerechte Entsorgung der „New Orleans Express“ beispielsweise – ein 240 Meter langes Frachtschiff mit Stauraum für etwa 3000 Container aus dem Jahr 1989 – kostete das Unternehmen im Vergleich mit einem Verkauf an einen der alten Abnehmer 2 Million Euro durch entgangenen Restwert.
Schiffsfonds suchen Schutz hinter Verträgen und Anlegerinteressen
Mit diesem Entschluss ist Hapag-Lloyd jedoch bislang die einzige deutsche Reederei, die ihr Geschäftsgebahren aufgrund fraglicher Zustände umstrukturiert. Andere Reedereien und Schiffsfonds berufen sich auf bestehende Altverträge, Dividendenverpflichtungen und Anlegerinteressen, die es ihnen verbieten, auf Gewinne aufgrund von Umwelt- und Sozialaspekten zu verzichten. „Ein großer Teil der deutschen Handelsflotte gehört vielen Anteilseignern“, so Christof Schwaner vom Verband Deutscher Reeder (VDR). Hapag-Lloyd allerdings ist selbst Eigentümer ihrer Schiffe. Bei Fondsschiffen hingegen ist vertraglich festgelegt, die Schiffe zu Höchstpreisen zu verkaufen – nicht zu Preisen mit höchsten gesellschaftlichen Nutzen.
Heidegger jedoch hält dies für einen Vorwand, da auch die Einhaltung hoher Umwelt- und Sozialstandards vertraglich festgelegt werden könnte. Die Verträge, die es jedoch derzeit einzuhalten gilt, sind in ihrer Form oft genauso alt wie die ausgedienten Frachtschiffe.