Jeder zweite Mensch in Deutschland hat Probleme mit dem nächtlichen Durchschlafen.
Jeder siebte Mensch in Deutschland nimmt Schlaftabletten.
Jeder zehnte Mensch in Deutschland hat eine krankhafte Schlafstörung.
Die Folgeerscheinungen von zu wenig Schlaf sind nächtliches Schwitzen, Abmagerung, steigender Blutdruck und Herzrasen. Schlafmangel – beispielsweise ein Resultat von Stress und Überreizung – macht krank. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Doch gerade die Wissenschaft weiß sonst sehr wenig über den lebenswichtigen Schlaf, mit dem der Mensch aber immerhin ein Drittel seines kompletten Lebens verbringt.
Die Somnologie – die Schlafforschung und -medizin – entdeckte bis heute 88 verschiedene Schlafstörungen beim Menschen. Es ist durchaus normal, dass ein Mensch bis zu 28 Mal pro Nacht aus dem Schlaf aufwacht. Dieses Aufwachen aus dem Schlaf ist jedoch normalerweise nicht bewusst. Das heißt, dass es sofort wieder vergessen wird und der Mensch sich nicht daran erinnern kann.
Schlaflosigkeit – auch ein Problem für die Wirtschaft
Nicht nur Erwachsene sind von Schlaflosigkeit betroffen. 20 % der deutschen Schulkinder haben Schlafprobleme. Dabei ist der Schlaf genauso wichtig wie Essen und Trinken. Der Schlafmittelkonsum hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verfünffacht. Immer mehr Menschen geben zu, aus Angst vor der Schlaflosigkeit täglich Schlafmittel zu konsumieren.
Der Psychologe und „Schlaflehrer“ Jürgen Zulley, einer der bekanntesten Schlafforscher Deutschlands, konstatiert energisch: „Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank.“
Schlechter Schlaf macht gereizt, trübselig und schlechte Laune. Konzentrationsschwäche, Phantasielosigkeit, Herz-Kreislauf-Leiden, Fettleibigkeit, Diabetes, Burn-Out undDepressionen sind weitere Folgen von zu wenig Schlaf. Doch Schlafentzug ist nicht nur ein Martyrium für die Betroffenen, sondern auch ein zunehmendes Problem für die Wirtschaft!
Die Gesundheitskosten für die Krankenkassen aufgrund der Schlafprobleme explodieren, die Produktivität der Arbeitnehmer sinkt aufgrund von zu wenig Schlaf merklich, das Risiko von Verkehrsunfällen steigt drastisch. Schätzungsweise 24 % der schweren Autounfälle sind auf Sekundenschlaf zurückzuführen. Auch menschliches Versagen im Operationssaal, Cockpit oder Atomkraftwerk ist oft das Resultat von zu wenig Schlaf. Der Schlafforscher James Maas, University of Ithaca in New York, bezifferte die Kosten für die USA aufgrund von Schlafproblemen auf mehr als 150 Milliarden Dollar pro Jahr.
Der menschliche Körper reguliert das Schlafbedürfnis im Auge
Häufig treten Schlafprobleme auf, wenn man das fundamentale Gesetz der inneren Uhrmissachtet: Der Mensch ist evolutionär bedingt ein tagaktives Lebewesen, in der Nacht jedoch ist er inaktiv und schläft.
Diese Tatsache haben wir unseren Körperzellen zu verdanken. Ein Teil des Sehnervs – genauer: Die suprachiasmatischen Kerne – geben den Takt unserer Aktivitäten an. Dieser biologische Schrittmacher aus über 20.000 Nervenzellen kodiert Proteine. Je nach der Anzahl der Proteine sind wir mehr oder weniger aktiv. Diese Anzahl richtet sich jedoch nach der Helligkeit unserer Umgebung. Bei der Helligkeit des Tages werden wesentlich mehr Proteine kodiert, als in dunkler Nacht. Demnach sind wir tagsüber aktiv.
Diese innere Uhr bewirkt auch, dass die menschliche Körpertemperatur während eines Tages um bis zu 0,7 °C variiert, Haare und Fingernägel in der ersten Hälfte der Schlafenszeit schneller wachsen, morgens die Schmerzempfindlichkeit der Zähne größer ist und man in der zweiten Hälfte der Nacht – gegen drei Uhr morgens – an natürlicher Depression leidet. Allein deshalb bietet es sich an, diese Zeit der Nacht schlafend zu verbringen.
REM-Schlaf und NON-REM-Schlaf: Die verschiedenen Schlafphasen des Menschen
In der ersten Hälfte der Nacht befindet sich der Mensch in der sogenannten Tiefschlafphase, der NON-REM-Phase. Der Tübinger Schlafforscher Jan Born vermutet, dass während dieser Tiefschlafphase Gedächtnisinhalte reaktiviert werden. Das bedeutet, dass der Mensch in dieser Schlafphase der Nacht Erinnerungen rekapituliert und verarbeitet und altes Wissen mit neuem verknüpft. Wachstumshormone werden im Tiefschlaf vermehrt ausgeschüttet,Stresshormone jedoch gezielt abgebaut. Ab 40 Jahren nimmt die Dauer der Tiefschlafphase kontinuierlich ab, weshalb ältere Menschen nicht mehr so leicht Neues lernen können wie jüngere Menschen. Das Verarbeiten und Rekapitulieren im Schlaf bekommt schlicht und einfach weniger Zeit.
Die zweite Hälfte der Nacht gehört dem Traumschlaf. Während dieses berüchtigten REM-Schlafs ist die Muskulatur weitestgehend gelähmt, damit der Mensch während des Schlafens nicht um sich schlägt und sich und andere verletzen kann. Es wird allgemein vermutet, dass dem Traumschlaf weniger Bedeutung für die menschliche Gesundheit zuzuschreiben ist, als dem Tiefschlaf.
Es steht jedoch unumstößlich fest, dass das Gehirn schlafen muss, um lern- und anpassungsfähig zu bleiben. Erinnerungen, Gedanken und Gefühle werden im Schlaf geordnet – sprich: Das Bewusstsein wird für den Wachzustand geordnet.
Alle Erlebnisse und Erfahrungen werden durch neue Synapsen im Gehirn gespeichert. Im Schlaf werden diese synaptischen Verbindungen wieder reduziert. Die notwendigen Synapsen werden beim Schlafen verstärkt und mit dem Langzeitgedächtnis verbunden, die belanglosen werden gekappt – so wird eine Überladung verhindert.
Was kann man gegen Schlafstörungen tun?
Der Schlaf, mit dem wir so viel Zeit verbringen, formt unser Bewusstsein. Schlaf macht kreativ, denn es werden Assoziationen gebildet und neue Verknüpfungen geschaffen. Der Schlafforscher Jan Born bezeichnet den Schlaf als „äußerst potentes Hirndoping“.
Peter Geisler, Schlafforscher in der Regensburger Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, zufolge sind es besonders „ängstliche, angespannte und übergenaue Menschen“, die als Insomniker – also Schlaflose – bezeichnet werden können.
Schlechter Schlaf, so fanden die Schlafforscher heraus, lässt zudem physiologische Prozesse durcheinander geraten, die für die allgemeine Gesundheit des Menschen verantwortlich sind.Stoffwechsel- und Immunprozesse können nicht mehr richtig funktionieren, wenn der Körper nicht abschalten kann. Die Resultate von Schlafproblemen können bis hin zu ernsthaften Krankheiten variieren.
Geisler empfiehlt, bei schlechtem Einschlafen besonders darauf zu achten, zwischen den täglichen Aktivitäten und dem Zubettgehen eine gewisse Zeit verstreichen zu lassen. Er rät ab, vom Schreibtisch-Stuhl direkt ins Bett zu gehen. Stattdessen solle man sich einfach 20 Minuten hinsetzen, nichts tun – vor allem nicht fernsehen– und den Tag Revue passieren lassen.
Beim Aufwachen in der Nacht solle man sich keinesfalls ärgern, falls man keinen Schlaf mehr findet. Man solle stattdessen aufstehen und Routinearbeit erledigen, die sonst am nächsten Tag anfallen würden. Durch das „Wegschaffen“ eines Gedankens würde der aufgewühlte Geist beruhigt, so der Schlafforscher.
Der schlimmste aller Schlafräuber sei aber immer noch das „abendliche Nickerchen vor dem Fernseher“. Dies gelte es tunlichst zu vermeiden, um ein leichtes Einschlafen zu fördern, meint Geisler.