Die meisten Menschen werden hin und wieder im Schlaf von Albträumen geplagt, nur an die wenigsten können sie sich am nächsten Morgen noch erinnern. Manche Träume allerdings bleiben lebhaft in Erinnerung, da sie nicht zum ersten mal geträumt wurden. Fast jeder hat einen bestimmten Traum, den er in gewissen Abständen immer wieder träumt. Diesen repetitiven Träumen sind Schlafforscher und Psychologen nun auf der Spur.
Verfolgungsszenen, Nacktsein, Zuspätkommen, Prüfungsangst, der Tod eines geliebten Menschen, Fall- und Flugträume: die meisten Menschen können eine oder mehrere dieser Traumszenarien in ihren eigenen Träumen wiedererkennen. Aber weshalb träumen Menschen immer und immer wieder dasselbe, und welche Bedeutung kann dem zugemessen werden?
Kategorisierung des Traums: Traumforscher untersuchen Wiederholungsträume
War der Traum noch in den Augen Sigmund Freuds das, was man als Königsweg zum Unbewussten nennen könnte, so war er für Neurowissenschaftler lange Zeit nicht mehr als sinnfreies Neuronenfeuerwerk. Traumforscher haben sich nun dennoch besonders den wiederkehrenden Träumen gewidmet und diese in Kategorien eingeordnet. So gehört beispielsweise der Prüfungstraum zu den „typischen Träumen“ – zu Wiederholungsträumen also, die ohne starke inhaltliche Varianz stabil und repetitiv auftreten.
Traumforscher auf allen Kontinenten nahmen sich nun der nächtlichen Phantasiekonstrukte an, alle Ethnien, Altersgruppen, Geschlechter und Kulturen wurden mit einbezogen. Man kam zu dem Schluss: Selbst in Amerika oder Japan waren die Träume der Menschen ähnlich der deutscher Personen.
Ende der neunziger Jahre erweiterten die beiden Traumforscher Tore Nielsen und Antonia Zadra der Universität Montreal einen in den fünfziger Jahren entwickelten „Typical Dream Questionnaire“ auf nunmehr 55 Traumthemen. Anhand dessen war es Forschern nun möglich, die Quantität der einzelnen Traumhäufigkeiten zu beziffern: Verfolgtwerden lag mit 81,5 Prozent auf Platz Eins, mit 72,4 Prozent schafften es Lehrer, Schule und Prüfungen aus den zweiten Platz. Die Frage, die sich den Forschen daraufhin stellte, war: Bedeuten die Träume auch jeweils etwas ähnliches?
Grundmuster in „typischen Träumen“ erkennbar
Michael Schredl, Leiter des Schlaflabors und Deutschlands führender Traumfoscher am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, interviewt Schlafprobanden und erforscht deren nächtliche Hirnaktivitäten beim Träumen. Für ihn steht fest: „In typischen Träumen geht es um Grundthemen des Wachlebens, die bei fast allen Menschen in der einen oder anderen Form vorkommen. Die Bebilderung ist individuell, aber ein Grundmuster zu erkennen“.
Der Prüfungstraum beispielsweise beruht Schredl zufolge auf dem Gedanken „Ich fühle mich schlecht oder gar nicht auf eine Situation vorbereitet“, wobei der Traum oftmals auf bereits Erlebtes wie das Abitur oder eine andere Prüfung mit Leistungsdruck oder Versagensangst zurückgreife, um die Kognition des Träumers einzukleiden.
Laut Schredl ist jedoch unklar, ob bereits während des Träumens selbst eine Verarbeitung von Erlebtem oder Ängsten stattfindet, oder ob erst die Reflexion des Traumes nach Erwachen eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Angstsituation darstellt. „Angst“, so Schredl, „wird immer unangenehmer, je mehr ich ihr ausweiche. Auch bei Träumen muss ich meiner Angst ins Auge schauen“.
Der Schlafforscher untersuchte auch Fall- und Flugträume. Während Fallträume einer seiner Studien zufolge stereotyp häufiger von Menschen geträumt würden, die ängstlicher sind oder zu depressiven Stimmungen neigen und auffallend oft ein Instrument spielen, so seien Flugträume eher in Verbindung mit positiven Stimmungen und Erfolgsphantasien zu bringen.