Ein neutraler Beobachter könnte die Situation mit der einer jungen Mutter vergleichen. So wie diese auf jeden Laut ihres Neugeborenen reagiert, registrieren die vielen Arbeitnehmer der privaten Krankenversicherung jede Äußerung der Regierung und Opposition zuReformplänen des Krankenversicherungssystems.
Die Diskussionen nehmen dabei im laufenden Wahlkampf Fahrt auf. Schließlich geht es auch um viele Wählerstimmen, die über die neue Sitzverteilung im Parlament entscheiden können.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen an einem Strang
Selten waren sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer so einig. Ihr klares Nein zur Bürgerversicherung ist verständlich. Immerhin würden bei deren Einführung mehr als 60.000 Jobs in der PKV wegfallen, wie die Hans-Böckler-Stiftung in einem aktuellen Gutachtenfeststellt.
Und auch für einige Versicherer geht es um die wirtschaftliche Existenz. Bei einerEingliederung der 9 Millionen Versicherten der PKV in die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung würde z. B. die Barmenia 84 % ihrer Beitragseinnahmen verlieren.
Auch wenn die Privatversicherungen an der Bürgerversicherung beteiligt werden sollen, würde dies sicher zur Einstellung des Geschäftsbetriebes führen. Der Branchenprimus Allianz sieht die Situation etwas gelassener. Dies ist auch verständlich.
Der Bereich der Krankenversicherung ist für den Versicherer nur ein Geschäftsbereich unter vielen. Unterstützung in ihrem Kampf für die Erhaltung des dualen Krankenversicherungssystems erhält der PKV-Verband von einem großen Teil der Ärzte.
Denn für diese geht es um viel Geld, da die Privatversicherer höhere Vergütungen zahlen.
GKV und PKV müssen voneinander lernen
Befürworter der zweigleisigen Finanzierung des Gesundheitswesens sehen den amtierendenBundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf ihrer Seite. Allerdings fordert auch Bahr dieUmsetzung von Reformplänen.
Sowohl in der PKV als auch in der GKV gibt es gute Dinge, die erhalten werden müssen. Damit auch in Zukunft die Beiträge zur PKV fließen können, müssen die Unternehmen zu Veränderungen bereit sein. So muss z. B. die ‚Rosinenpickerei‘ beendet werden.
Erste Tarife der Assekuranz, die es versicherungsfreien Angestellten ermöglicht, ohne einenüberzogenen Risikozuschlag auf die Beiträge in der PKV aufgenommen zu werden, sind ein erster Schritt. Aber auch im Leistungsbereich müssen die Versicherer nachbessern.
Im Bereich der Psychotherapie verfügen GKV-Versicherte noch immer über eine bessere Leistungsabsicherung, auch wenn hier im Rahmen der Einführung von Unisex-Tarifen die Anbieter nachgebessert haben.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob wirklich nur ein radikaler Systemwechsel die Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft sein kann oder ob durch gezielte Reformpläne das im Ausland bewunderte deutsche Krankenversicherungssystem erhalten werden kann.