Mit Menschen, die aktuell in Rente gehen, möchte ein Jüngerer nicht unbedingt tauschen, wenn es um die Geldanlage und die Finanzen generell geht. Die aktuelle Niedrigzinsphase hat nämlich für die Generation 65+ große Tücken. Das geliebte Sparbuch dieser Personen wirft praktisch keine Rendite ab, die Minizinsen unter einem Prozent liegen definitiv unter der Inflationsrate. Wenn die Rentner noch etwas aus ihrem Ersparten machen möchten, müssen sie Risiken eingehen, über die sie wahrscheinlich nie nachgedacht haben.
Rentenbeginn: Wer feiert noch?
Vor einem Jahrzehnt war der Rentenbeginn meist noch ein Grund zum Feiern, denn neben dem Ruhestand lockten die Auszahlung einer Lebensversicherung und die stetige Verzinsung des Sparguthabens, die damals noch einen sichtbaren Zuwachs einbrachte. Heute sind Senioren nur noch selten finanziell sorgenfrei. Die Renten wurden inzwischen gekürzt, die Rendite der Lebensversicherung ist geschrumpft, auf dem Sparbuch wächst das Guthaben kaum. Selbst Festgeldanlagen bringen nur noch wenig ein. Wenn nun die Lebensversicherung ausgezahlt wird, ist immerhin viel Geld da, doch was sollen die Rentner damit machen? Es aufs Sparbuch zu bringen erscheint fast wie grober Unfug. Es freudestrahlend ausgeben muss als fahrlässig gelten, denn die Lebenserwartung steigt, die Menschen können gut 25 Jahre lang (und natürlich länger) ihren Ruhestand verleben. Eigentlich sollte das Geld sinnvoll – also mit einer ordentlichen Rendite – angelegt werden. Wie kann das gelingen, wo doch allzu riskante Anlagen tabu sein müssen, da diese Personen Verluste nie wieder durch ein Arbeitseinkommen ausgleichen können? Welche Anlage ist renditeträchtig und risikoarm zugleich?
Respekt vor Aktien
Ein psychologisches Problem kommt hinzu: Diejenigen Berufstätigen und früheren Sparer, die nun das Rentenalter erreicht haben, gehören zu einer Generation, die mit börslichen Anlagen kaum etwas anzufangen weiß – jedenfalls hier in Deutschland. Das hat etwas mit der historischen Entwicklung der Aktienanlagen zu tun. Sie galten bis in die 1980er Jahre als wenig riskant und halbwegs renditeträchtig, Berufstätige der Jahrgänge um 1930 bis 1940 wählten sie als Beimischung zur Rentenvorsorge. Nach dem Crash von 1987 verloren die meisten Deutschen die Lust auf das börsliche Spiel mit dem Feuer, das war die Zeit, als die heutigen Jung-Rentner eigentlich das erste Mal über Aktien nachgedacht hätten (im Lebensalter um 37 bis 44 Jahre). Einige von ihnen probierten es noch einmal ab 1998 mit dem Boom des Neuen Marktes und beispielsweise mit der Telekom-Aktie, nach dem Crash von 2001 und erst recht dem von 2007/2008 wandte sich diese Generation aber endgültig von der Börse ab. Soll sie jetzt darüber nachdenken? – Ihre gesamte finanzielle Lebenserfahrung spricht strikt dagegen. Vor Aktien und all dem Kram an der Börse haben sie inzwischen viel zu viel Respekt.
Portfolio risikoarm optimieren
Die Senioren kommen nicht umhin, eine Bestandsaufnahme ihres Vermögens vorzunehmen. Dabei müssen sie sich möglicherweise von überflüssigen Kosten trennen wie einer Klubmitgliedschaft, die längst nicht mehr genutzt wird, einem Zeitungs-Abo, das keiner mehr liest, aber auch der finanziellen Unterstützung von Kindern und Enkeln, die man sich einfach nicht mehr leisten kann. Selbst die großen Geschenke zum Geburtstag sollten viel kleiner ausfallen. Diese Umstellung fällt den Rentnern enorm schwer. Zweitens müssen sie sich wahrscheinlich von einem kontraproduktiven Sparverhalten trennen. Geld auf einem Sparbuch für Zinsen von 0,5 % hat dort nichts verloren. Die beste Lösung ist tatsächlich ein wirklich gut strukturiertes Depot. Empfohlen wird ein Aktienanteil von 20 – 30 %, eine liquide Reserve als Festgeld von rund 30 %, ein festverzinslicher Anteil wie Unternehmensanleihen von 30 % und ein kleiner Rohstoffanteil von 10 – 20 %.
Wie geeignet ist so eine Faustformel?
Die genannte Formel empfehlen Anlageexperten, sie wäre natürlich auch für jüngere, konservative Anleger gut geeignet. Jedoch ist so eine Struktur nicht unumstritten, denn letzten Endes weiß kein Anlageexperte, was mit dem Aktienmarkt geschieht, auch hängt ein Portfolio immer von den Präferenzen des Anlegers ab. Wer sich mit Aktien partout nicht anfreunden kann, soll die Finger davon lassen, diese Auffassung gibt es auch. Ein Liquiditätspuffer in Form von sofort verfügbarem Tagesgeld wird ebenfalls empfohlen, auch wenn das Renditeverzicht bedeutet – Tagesgeld gibt es aktuell bestenfalls für 1,25 % (VTB Direktbank, Stand 9. Juni 2015). Doch ältere Anleger benötigen das Gefühl, Geld sofort abheben zu können, als Größenordnung empfiehlt man ihnen sogar bis zu sechs Monatsbudgets. Erst mit dieser Sicherheit dürfte sie sich vielleicht an eine Aktienanlage herantrauen – die am Ende wahrscheinlich die höchste Rendite einfährt.