Die Lehman-Krise des Jahres 2008 brachte Zertifikate bei deutschen Anlegern in absoluten Verruf. Inzwischen hat sich das Image von Zertifikaten erholt, denn Anleger müssen sich angesichts der Mini-Zinsen am Kapitalmarkt fragen, wo sie sonst investieren sollen – gerade mit kleinem Geld. Wie sehr sind diese Anlagevehikel zu empfehlen, was müssen private Anleger wissen?
Was war denn mit der Lehman-Krise?
Für Newcomer sei das Geschehen der Jahre 2007/2008 noch einmal knapp erörtert: Die US-Bank Lehman Brothers, ein 1850 gegründetes Traditionshaus, hatte kräftig auf dem inländischen (amerikanischen) Immobilienmarkt investiert und dabei unter anderem die sogenannten Subprime-Kredite vergeben, die Menschen mit mangelnder Bonität in der Erwartung stetig steigender Immobilienpreise bis 2007 erhalten konnten. Diese Blase platzte 2007/2008 und löste eine beispiellose Finanzkrise aus, über welche Lehman Brothers Insolvenz anmelden musste. Lehman Brothers hatte darüber hinaus unter anderem an deutsche Anleger Zertifikate auf die eigenen Investments vertreiben lassen, die zum Zeitpunkt des Vertriebs bis etwa Anfang 2007 eigentlich hohe Renditen versprachen und mit der Lehman-Pleite sowie infolge der Subprime-Krise wertlos wurden. Das verursachte bei den meisten Anlegern Totalverlust (wenn sie nicht rechtzeitig verkauften, was nur wenigen gelang), es folgten Gerichtsprozesse wegen irreführender Anlageberatung gegen deutsche Geldhäuser, die aber den Anlegern lediglich Teilerfolge einbrachten. Zur Veranschaulichung: Die HaSpa hatte Lehman-Zertifikate im Wert von 54 Millionen Euro veräußert und entschädigte die Anleger mit insgesamt 9,5 Millionen Euro. Hintergrund des Erfolges überhaupt war die fehlende Einlagensicherung für diese Zertifikate und der unterbliebene Verweis darauf, ein Phänomen, das deutschen Sparern eigentlich fremd ist. Was Wunder also, dass deutsche Sparer seit 2008 – seit der “Lehman-Skandal” durch deutsche Medien geisterte – bei dem Wort “Zertifikat” nur rot sahen. Doch was ist das eigentlich, was wäre heute davon zu erwarten?
Ein Zertifikat, ein Derivat, ein Finanzprodukt – was ist das?
Grob und plakativ erläutert bilden diese komplexen Finanzprodukte in gehebelter Form die Wertentwicklung eines sogenannten Underlyings ab. Das ist ein Basiswert, der eine Aktie, ein Index, ein Rohstoff oder auch ein Währungspaar sein kann, auch exotische Underlyings gibt es. So wäre es beispielsweise möglich, auf den deutschen Leitindex Dax ein Call-Zertifikat zu erwerben, dass beim Kauf 100 Euro kostet und mit jedem Punktgewinn des Dax’ um einen Euro im Wert steigt. Da sich der Dax am Tag um 100 und auch 200 Punkte nach oben bewegen kann, wäre ein Gewinn von 100 oder 200 Prozent möglich – pro Tag, wohlgemerkt. Der Dax kann aber auch um so eine Differenz pro Tag fallen, das Zertifikat würde umgehend wertlos. Ist das nur etwas für Daytrader oder hartgesottene Spekulanten? Keinesfalls, wenn die Anlageberatung stimmt und wenn die Anleger ein Zertifikat wählen, das a) durch einen Stopp abgesichert wird und b) nicht mehr kostet, als sie im Fall des Totalverlustes – oder des Verlustes bis zum Stopp – verschmerzen können. Beide Gesichtspunkte sind bemerkenswert. Viele unerfahrene Anleger können sich das Auf und Ab an der Börse kaum vorstellen, die meisten Anlageberater sind ebenfalls keine erfahrenen Trader – sonst wären sie keine Anlageberater. Doch mit behutsamer Auswahl können Zertifikate durchaus sinnvoll einem Depot beigemischt werden. Hierfür gibt es verschiedene Strategien, die im Folgenden kurz angerissen werden sollen.
Risikomanagement bei Zertifikaten
Zertifikate können immer verlieren, so viel muss der Anleger von vornherein wissen. Es gibt Zertifikate, die durch einen Stopp nicht abzusichern sind, etwa CFDs oder Knock-outs auf das Gold und auf manche Währungspaare. Sie können über Nacht wertlos verfallen, wenn der an einem deutschen Börsenplatz installierte Stopp nicht greift. Die zugrunde liegenden Assets werden in anderen Weltregionen weitergehandelt und unterliegen nächtlichen Kursentwicklungen, die das Zertifikat in den K.o. schicken können. Der Anleger kann daher solche Werte nur mit kleinem Geld handeln, empfohlen werden als Risikokapital ein bis zwei Prozent der zur Verfügung stehenden Anlagesumme. Wer 5.000 Euro zum Investieren übrig hat, kann nur 100 Euro in so ein Zertifikat investieren. Doch es gibt noch einen anderen Weg, denn manche Anlagevehikel wie die Discount-Zertifikate gewinnen bei Seitwärtsbewegungen einen limitierten Betrag, wenn ein bestimmtes Kursziel erreicht oder nicht über-/unterschritten wird, gegen Verluste sind sie abgepuffert. Verluste sind dennoch möglich, aber ein Totalverlust ist – außer bei einem Mega-Crash – kaum zu erwarten. Anleger müssen sich allerdings solche Zertifikate gut erklären lassen. Hier ist bei einem überschaubaren Risiko durchaus ein schöner Gewinn jenseits einer mickrigen Festgeldanlage möglich.