Nur selten wurde in der Vergangenheit im Wahlkampf ein Gesetzesvorhaben so intensiv vorangetrieben wie das von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Beitragsschuldner der GKV und PKV sollen nach Möglichkeit noch vor den im September stattfindenden Wahlen erheblich entlastet werden.
Mit diesem Versprechen war Bahr Ende letzten Jahres gestartet. Nach Diskussionen im Bundesrat und der Expertenanhörung im Bundestag haben sich die Vertreter der Koalition jetzt auch auf eine Einbeziehung der Altschuldner in einen Gesetzentwurf verständigt. Damit dürfte der Weg frei sein.
Notlagentarif der PKV kommt rückwirkend
Für Versicherte der PKV zeichnete sich bereits während der Expertenanhörung im Mai ein Lösungsvorschlag ab. Bisher mussten Versicherte, die mit der Zahlung der Beiträge in Verzug geraten waren, in den Basistarif mit einem Beitrag von ca. 610,- € im Monat wechseln. Der Schuldenberg wuchs so rapide an.
Gleichzeitig konnten die Nichtzahler aber nur ärztliche Leistungen bei akuten Erkrankungen, und Schmerzzuständen beanspruchen. Der seitens der PKV vorgeschlagene Notlagentarif deckt genau diese Leistungen ab. Kosten soll er rund 100,- €. Durch die jetzt geplante rückwirkende Anwendung können nach Aussage von Dr. Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes, die Schulden erheblich reduziert werden.
Trotz Bedenken der GKV sollen Säumniszuschläge auch rückwirkend gesenkt werden
Seit Einführung der Versicherungspflicht in Deutschland im Jahr 2007 müssen säumige Zahler in der GKV ab dem zweiten rückständigen Beitrag einen Strafzins von 5 % pro Monat bezahlen. Durch diesen zu Recht als „Wucherzins“ bezeichneten Verspätungszuschlaggerieten Versicherte schnell in eine nicht mehr zu stoppende Schuldenfalle.
Die Koalition möchte entgegen erster Vorstellungen diesen nun auch rückwirkend auf ein Prozent absenken. Von zwischenzeitlichen Forderungen bezüglich eines pauschalen Schuldenerlasses haben die Vertreter der Koalition wieder Abstand genommen. Vielmehr soll der GKV-Spitzenverband Regelungen treffen, die den einzelnen Krankenkassen individuelle Lösungen für Beitragsschuldner ermöglichen.
Nichtversicherte in Krankenversicherungsschutz mit einbeziehen
Trotz des Bestehens einer gesetzlich geregelten Krankenversicherungspflicht gibt es in Deutschland noch über 100.000 Menschen ohne jeden Krankenversicherungsschutz. Bisher haben sich viele von ihnen nicht bei einer Krankenkasse gemeldet, weil im Rahmen der Verjährungsfristen Beiträge auch für mehrere Jahre rückwirkend angefordert werden können.
Speziell in diesen Fällen sollten die Krankenkassen, von der Möglichkeit eines Beitragserlasses Gebrauch machen. Versicherte müssen die Chance sehen, ohne sofortige Schulden wieder einen Krankenversicherungsschutz erhalten zu können. Nur dann werden sie den Weg zu ihrer zuständigen Krankenkasse finden. Angesichts eines Milliardenüberschusses in der GKV sind die erforderlichen finanziellen Spielräume nach Aussage von Vertretern der Koalition vorhanden.