Als Multiple Sklerose wird eine Autoimmunerkrankung bezeichnet, die mit chronischen Entzündungen des zentralen Nervensystems einhergeht und zu einer Zerstörung der Myelinscheiden der Nervenfasern und somit einer gestörten neuronalen Signalübertragung führt.
Kürzlich veröffentlichten Forscher um Adam Gregory von der Universität Oxford im Wissenschaftsmagazin Nature neue Resultate, die auf eine bislang nicht bekannte Genveränderung als möglichen Risikofaktor für die Entstehung von Multipler Sklerose deuten.
Demnach weisen von der Erkrankung Betroffene häufiger als gesunde Menschen eine Genvariation auf, infolge derer spezielle Rezeptoren des Nervensystems löslich und somit beweglich werden. Diese mobilen Rezeptoren können den zentralen Signalstoff des Immunsystems, den Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), blockieren und dadurch die für Multiple Sklerose charakteristischen Entzündungen hervorrufen.
Die durch die Genveränderung verursachte Wirkung sei vergleichbar mit Medikamenten, die anders als bei anderen Autoimmunerkrankungen (wie zum Beispiel Rheuma) bei Multipler Sklerose zu einer Verstärkung der Symptome beitragen. Dieser bislang unentdeckte Zusammenhang sei im Gegensatz zu den bisher bekannten genetischen Faktoren, die das Risiko einer Erkrankung erhöhen können, ausschließlich charakteristisch für Multiple Sklerose und biete somit einen neuen Ansatz für Therapiemaßnahmen.
Erhöhtes Risiko für Multiple Sklerose durch Genveränderung
Die Genveränderung wurde im Rahmen einer GWA-Studie (genom-wide association study) identifiziert, bei welcher die genetischen Variationen von 379 betroffenen Europäern gezielt untersucht wurden und die modifizierte Genvariante bei MS-Patienten gehäuft anzutreffen war. Zur Überprüfung der Ergebnisse wurde anschließend das Erbgut von 1.853 Betroffenen und einer Kontrollgruppe aus 5.174 gesunden Personen im Hinblick auf diese Genveränderung analysiert und eine statistisch signifikante Korrelation mit Multipler Sklerose festgestellt.
Daraufhin wurden die Auswirkungen durch die entdeckte Genvariante von den Forschern untersucht. Dabei konnten sie Modifikationen am sogenannten TNF-Rezeptor-1 feststellen, durch welche dieser löslich und entsprechend mobil wird. In seiner mobilen Form kann dieser Rezeptor TNF-α blockieren und somit die für MS charakteristischen Entzündungsprozesse im Gehirn begünstigen.
Nicht nur genetische Faktoren erhöhen das Risiko für Multiple Sklerose
Wenngleich diese spezifische Genvariante eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen kann, gilt sie nicht als einziger potenzieller Auslösemechanismus für die als multifaktoriell bedingt geltende Erkrankung. Genetische Faktoren erhöhen grundsätzlich zwar das Risiko einer Erkrankung. Anhand von Zwillingsstudien konnte jedoch gezeigt werden, dass auch Umweltfaktoren den Ausbruch von Multipler Sklerose beeinflussen können.